Trends 2016: Was krümelt als Nächstes?

TRENDS 2016: Was krümelt als Nächstes? (Fragt Stephan Porombka)

2016 ist schon fast zwei Monate alt, in einem Monat ist Ostern: Höchste Zeit, den Trends auf die Finger zu gucken, die Ausstecher zu schärfen und die Nachbackliste aufzuräumen! Was wird uns 2016 krümeln lassen, welche Aromen unsere Gaumen umspielen und welche Mehle werden wir in unsere Teige kneten?

Ich möchte einen Ausblick geben auf das was uns Anhänger der Backwahn-Sekte 2016 erfreuen und beschäftigen wird und zwar in in fünf Kategorien: Zutaten, Aromen, Mehle, Küchenstile und Persönlichkeiten! Essen ist ja mittlerweile all over the place im Gespräch und dient zur Unterhaltung, zur Identitätsfindung, zur Selbstdarstellung und gerade, aber nicht nur in Berlin nehmen die Food-Events überhand. Man geht nicht mehr auf Parties, man geht auf Schnippeldiscos, man geht nicht mehr brunchen, man geht auf den Breakfast Market, man geht nicht mehr aufs Konzert, man geht zur Langen Nacht der Weine, man backt Sonntag nachmittags nicht mehr Kuchen, man geht auf den …Naschmarkt, genau!

Manchmal nervt das, denn all die Nischen von glutenundlaktosefreien Superfoods bis zu hyperregionalem Eiweiss wollen jetzt natürlich alle Tellerchen besetzt werden und wetteifern um jeden Bissen Aufmerksamkeit. Gleichzeitig freut es mich natürlich enorm, steigt damit doch das Wissen um und die Lust am Guten. Am Ehrlichen. Am Originellen und Nischenprodukte haben eine Chance wie nie. Auch und gerade was das Zuckerbäckerhandwerk angeht. Das sah vor nicht allzulanger Zeit noch ganz anders aus und wer noch ein paar Jährchen weiter hinabsteigen möchte, für den hat Robert in seiner Cucina da ein ganz besonderes Zuckerl zur Geschichte Bündner Zuckerbäcker in der Fremde ausgegraben.

Aber zurück zur Gegenwart, was sag ich Zukunft! 2016, halleluja! Lasst mich so starten: 2016 liegt Backen insgesamt im Trend und in den letzten 2-3 Jahren sind so viele neue Backblogs im deutschsprachigen Raum entstanden, haben sich ausdifferenziert, und eigene Stile und Inhalte über das ganze Jahr entwickelt und sind mittlerweile auch gut im Mainstream angekommen, aber dazu später noch mehr!

 

ZUTATEN & MEHLE

Urstaub-Panade
In Sachen Mehle geht der Blick durch das an Gewichtung stetig zunehmende glutenfrei in Kombination mit dem Low Carb und der Weizenskepsis hinzu anderen Getreiden. Wer auf Gluten wirklich verzichten muss, darf auch die Urgetreide Kammut, Emmer oder Einkorn sowie Hafer, Gerste, Roggen und Dinkel nicht verwenden. Er muss auf Hirsemehle, wie Teff im afrikanischen oder Reismehle ausweichen. Es wird daher eifrig mit Mehlen aus Soja, Mais, Kokos, Buchweizen (Galettes!), Kichererbsen (Italien!), Aprikosenkerne (Amerettini!), Leinsamen, Maronen oder Mandeln und Nüssen experimentiert. Wichtig zu wissen: sie schmecken alle anders, ihnen allen fehlt das Gluten, das ersetzt werden muss und sie sind ungleich teurer!

brot

Frisch gemahlen
Frisches Mehl ist ein Trend, der aus den USA kommt, wo Mehl oft ja schon mit Backpulver vermengt in den Verkauf kommt aka self rising flour.  Frisches Mehl wird kontrovers diskutiert, in Kürze: Mehr Frische = mehr Geschmack, weniger Frische = besser zu backen. Dass immer mehr Bäcker ihr Mehl lieber selbst mahlen, wundert mich nicht, dann lässt es sich auch leichter auszeichnen. Dass Frisches Mehl anders agiert als staubtrockenes (sic!) ist eigentlich eh klar, oder?  Dass ich bei meinem Lieblingsbäcker sein Mehl 2016 kaufen um dann zu Hause selbst zu backen, ist in DIY-Zeitalter eh klar, oder? Hier ein Beispiel aus der Schweiz, die ja in Sachen Backen so viel auf dem Kasten hat, was leider viel zu wenige wissen.  Und ja, Sprossen sind nichts neues, zumindest im Salat, aber daran, dass Getreide erst gekeimt verwendet werden soll, daran werden wir uns gewöhnen dürfen.
Irgendwie scheinen Berge dem Brotbackvorgang zuträglich, wer das live erleben mag, sei in der Schule am Berg willkommen!

2 Kekserl, aber bitte vegan, bio, glutenfrei, raw und lowcarb, bitte sehr!
Wenn es geht sogar raw (= roh). Kriterien dieser Art sind in Deutschland über am Backblech respektive der Kuchentheke angekommen. Vegan ohne Ei, Mehl bitte Bio oder gar Demeter, bzw ganz weglassen, damit wir Low Carb sind und wenn der Käsekuchen zum Chashewnusskuchen mutiert, well! Bevor wir das Eiweiss als Feind entdecken, werden wir noch eine Weile auf den Kohlehydraten rumhacken. Gerade Brot und Brötchen werden eiweissbetonter gebacken, aber auch in süßen Teilchen und Mehlspeisen versucht man sich reduziert. Das Fett ist nicht mehr der Buhmann und wieder herzlich willkommen, allerdings nicht als Butter, sondern eher als paleokorrektes Kokosfett. Öle und ihre jeweiligen Vorteile und Aromen werden wiederentdeckt und inszeniert, wo einst der Olivenöl-Kuchen einsam die ölige Flagge hochhielt. Heute backt man mit Leinöl und Mohnöl und wer sich da mal beraten und inspirieren lassen möchte, ist in der Ölmühle an der Havel gut aufgehoben. Baisers aus Zucker und (tierischem) Eischnee waren gestern, heute macht man Aquafaba aus Kichererbsen-Wasser. Ich steh der Sache ja zwiegespalten gegenüber: Das Experimentieren mit Zutaten macht mir Spass und als Diabetikerin habe ich die Kohlehydrate immer besonders im Blick, aber … ein Ei ist ein Ei ist ein Ei. Sonst sind wir bald beim Analogkäse.

You are my favourite Cookie

Jenseits der Anden
scheint das Gras höher oder zumindest das Getreide noch superer. Amaranth oder Quinoa oder Chia werden sich halten, auch wenn wir uns auf unsere regionalen Bodenschätze besinnen! Nach aufgeweicht als Chiapudding, sind Chiasamen jetzt bei den Industrie-Bäckern und lassen uns in Chia-Brötchen und -Brote beissen, dass es nur so knirscht. Wie gesund sie nun wirklich sind und ob das ihren Preis rechtfertigt sei dahingestellt, sie geben eine neue Konsistenz und gerade in Keksen aka Mürbeteig machen sie für Mohnverweigerer eine Alternative her.

Zurück in die Zukunft!
Ein Blick in die amerikanischen Backblogs verrät, was hier noch erst leise spürbar. Nach Cupcakes, Popcakes, Dronuts werden nun die Süssigkeiten oder Frühstücksceralien direkt eingebacken: Geekige Kreationen als nostalgisch gefärbte Oden an die HeldInnen der Star Wars Trilogie oder einstiges Kinderspielzeug der 80iger und 90iger wie der Legokuchen. Sie lassen viel Raum für individuelle Akzente wecken das Kind im Manne – vielleicht hat letzteres auch damit zu tun, dass mehr und mehr Männer auch dem süssen Backwahn fröhnen? In jedem Fall der letzte Trend in dieser Kategorie: Geeky & Candy! 

Einkaufstipp für (internationale) Candyaddicts: Alexis Sugafari (in Berlin live und online für alle!)

 

2. AROMEN & DEKOR

Es lebe die Kunst, denn die hält Einzug in das Keksdesign! Kekse werden nicht mehr nur in Form gebracht und knallig und lustig glasiert, jetzt wird gemalt, gezeichnet, aquarelliert und kalligraphiert – Keine Angst, es gibt Tutorials :-)  Es werden große Meister kopiert und kleine Kunstwerke erschaffen, Sammlerstücke möchte ich sagen, denn wer möchte da noch krümeln?

2016: Live und in Farbe
Sollte man sich nicht nehmen lassen, das Krümeln, denn hässlicher werden die Kekse nicht mehr. Selbst die urgesunden aus dem Reformhaus haben mittlerweile Profil und nicht nur Körner. 2016 wird es richtig bunt: Kekse und kleine Teilchen werden in Regenbogefarben getaucht. Einerseits ist das dem Spieltrieb geschuldet, andererseits sind Lebensmittelfarben mittlerweile auch endlich in Deutschland erhältlich statt nur in amerikanischen Carepaketen. Teige und Fondant lassen sich heute nicht mehr nur mit Chemie bunt machen, der Kreativität der Crowd sei Dank, dass wir  heute mit Matcha, roter Beete, Lakritz und im Biomarkt auch diverse abgepackte bio/vegan/glutenfrei-Farben auf spielfreudige, dekorlüsterne BäckerInnen warten. ich gehör immer noch nicht dazu :-)

Our Top 5 Cake Decorating Trend Predictions for 2016

Süßes & Herzhaftes
finden sich in Compost-Cookies oder Kombinationen aus Obst und Käse, Schokolade und Bacon zusammen. Wir reduzieren (oder ersetzen) den Zucker und entdecken das Herbe und damit zum Beispiel, Kardamom oder Schlehen, Lakritze und natürlich Matcha, dem ich schon ewig verfallen! Das grüne, herbe und edle Teepulver hat sich als Zutat endlich emanzipiert, nachdem es  lange ein Schattendasein fristete oder nur als quietschsüsse Matcha-Latte-Pulver zum erstellen von ebensosüßen, wie durchchemikalisierten Fertiggetränken gekannt wurde. Aber im Aufschwung der ausdifferenzierten asiatischen Küche auch im Backbereich, ist Matcha nun gern gesehen und geschmeckt in Cheesecakes, Cookies, als Macaron oder in Ganachen. Und dann ist da noch das Craft Beer, das 2015 endgültig nach Deutschland rübergeschwappt ist und bis ins Backwerk geflossen ist und 2016, so meine Vorhersage, noch viel stärker mitmischen wird ob als Rezeptzutat, Muse oder guter Schluck zum Krümel!

Sweet as Nature
Der Zucker
wird natürlich, zu Birnen- oder Agendicksaft und Birken- oder Kokoszucker (Glykämischer Index!), je nach Vorliebe und Kriterien: bio, regional, lowcarb, lowsugar, nachhaltig, natürlich oder wie bei Omi!  Künstliche Süßstoffe wie Aspartam und Co gehen gar nicht mehr, Stevia hat es irgendwie auch nicht geschafft, uns zu überzeugen. Wichtig hier: Zucker hat jenseits des Süßens noch andere alchemistische Eigenschaften, die beim Ersatz verloren gehen.

Parsley Olive Cookies
Spice me up, before you go, go!
Und zwar nicht nur Zimt, Anis und Vanille, sondern Kurkuma, Kardamom, Sternanis und Bockshornklee! Das hat sicher damit zu tun, dass die indische Küche sich gerade in Deutschland neu aufstellt und uns jenseits der Chicken Masala, Chai und Mangolassi Ecke mit ihren Regionalküchen verführt, schaut mal drauf beim nächsten Streetfood Market! Gewürze und Kräuter sind nicht nur aufgrund ihrer heilsamen Wirkungen wichtig in Ajurveda und Yoga, sondern auch großartige Protagonisten, das wusste schon dieser P-Keks und ich freu mich auf Koriander, Bärlauch-, Schnittlauch-Cookies in den kommenden ersten Frühjahrswochen und schmeisse eine Runde Naan-Kekse!

 

3. KÜCHEN & STILE

Gesund = Lecker!
Es wird endlich gespielt, mit Zutaten und Methoden, Formen und Farben, Inspirationen (heute mal Tiger– statt immer nur Papageienkuchen) und Ideen – mit Vorurteilen und Kategorien. Gesund kommt endlich aus der Öko-Ecke, wird sexy und Trend, das deutete sich 2015 schon an. Deliciously Ella und Co zeigen, dass man mit gesunden (was auch immer das ist) verführerische Teilchen zaubern kann, die zuallererst einmal lecker sind! Rote Beete, Ingwer und Kürbiskern werden gefeatured statt heimlich untergemischt zu werden und das steht Ihnen gut. Die Grenzen zwischen Kochen und Backen verwischen, das kommt mir sehr gelegen. Man kocht mit Keksen und Brot, ja altem Brot sogar und im Gegenzug wird der Keksteig roh verspeist.

Hybrid ist das neue Fusion
Was den Stil angeht, geht es 2016  nicht nur aber auch um innere Werte, der Lack ist wichtig und der glykämische Index, auch aber die Konsistenz. Wo es beim Essen zunehmend süß und breiig wird, erfreuen sich Kekse und Backwaren unterschiedlichster Konsistenzen. Knusprig und zart oder eher flauschig wie im Japanischen Soft-Cheesecake, der Ende letzten Jahres durch die Foodblogs gejagt wurde . Kekse dürfen krümeln und werden endlich ernst genommen.

Zum Beispiel von den Eiscreme-Dealern, die ihr Eis mit zwei Cookies als Sandwich anbieten, das bietet sich gerade im Sommer an! Ganz vorne mit dabei ist Cream, die der Kombinierlust Tür und Tor öffnen.

Go East!
Auch im Backofen wenden wir uns ostwärts, weg von Macarons und Donuts, hin zu den  Sharlotkas und herzzerreissenden Mini-Pavlovas, die mit mit Eis,  in Schokolade getunkt und zum frischen Obst gleich nochmal so grossartig daherkommen.  Der Osten mit Hülsenfrüchten und Reis sowieso ein Mekka für glutenunverträgliche verführt uns zu herzhaften Reiscrackern und der israelische Exportschlager Hummus macht auch als Keksteiggrundlage eine gute, weil leckere, vegane, glutenfreie Figur!
Ich möchte mich als Nächstes übrigens an der Shakshuka Foccacia versuchen und suche noch MitBäcker :-)

Generationenhaus Vollpension

Handwerk hat köstlichen Boden
Was die Großmutter noch wusste und für mich buk, schmeckte eh am besten! Backen wird schönerweise weiterhin mit Liebe betrieben und nicht selten taucht die Liebe auch als Zutat im Rezept auf. Zu Recht!  Backen und bebacken werden hat immer was mit heimkommen, mit Heimat und Zuhause zu tun. Was Omi an Schmalz, Sahne und Butter in ihre köstlich-saftigen Verführen buk, erfüllt uns zwar mit Schrecken, aber schmecken tut’s hervorragend. Buchteln und Apfelküchle, Bärentatzen und russischer Zupfkuchen – Omis Rezpte lohnen einen Blick, auch wenn man sie dann gern neu interpretiert: Mit Bio-Kokosfett statt Palmin, gebacken statt frittiert, vegan statt mit Sahne. Ariane besucht ihre Oma Elise nicht nur aber auch zum Käsekuchenbacken, Cathrin ist in Seniorenheimen der Unwiderstehlichkeit von Lieblingsrezepten auf die Spur gekommen und hier in Wien backen die Omas in der Vollpension, siehe Bild oben!
Was sind/waren die Rezepten eurer Omas – show me!

 

4. ÜBER DEN TELLERRAND HINAUS

Tu ne parles pas français?
Dann versuchs mal mit japanisch! Ernsthaft, die japanische Patisserie sollte man stets mindestens so im Auge haben wie die Franzsosen, 2016 erst recht. In Japan wird saisonal ernst genommen, wer also meint am Backblech um das Thema saisonal herumzukommen irrt! Wer übrigens mal kosten möchte, das Imori in Frankfurt lohnt einen Besuch! In Berlin hat Nazuna leider letztes Jahr die Türen geschlossen, der Matcha-Baumkuchen war ein Gedicht, richtig grossartig wird es im Aoki in Paris! In Paris nämlich lernen die japanischen Konditormeister ihr Handwerkszeug bevor sie es mit japanischer Präzision und Detailliebe sowie heimischen Zutaten vollenden, ich sag nur Chocolate Jaffa Sphere!  Aktuelle Themen sind hier: Tee und zwar schwarz UND grün, Yuzu, die Zitrusfrucht und wie gesagt saisonal to the limit!

synchronbacken

Brot backt sich am besten gemeinsam
Sich zu inspirieren, gemeinsam Zutaten herauszufinden und Rezepte weiterzuentwickeln ist etwas, was die Foodblogger seit Jahren nicht anders kennen. Das synchron backen hat Initiatorin zorra letzthin und den anderen so viel Spass gemacht, dass sie es 2016 noch regelmässiger machen wollen, zusätzlich zum Bread Bakind Day! In Sachen Brot und Trends weiterhin ein zentrales Blog bleibt der vom Lutz Geißler, Brot- Veranstalter der Plötziade, einem Brotbackevent

La Dessance: 3 Gänge Nachtisch!
Karina Appeldorn, die 2015 vom Gault Millau zur Patissière des Jahres gewählt wurde, hat das First Floor in Berlin verlassen und ist zu neuen Ufern aufgebrochen. Mehr darf ich noch nicht verraten, aber raten möchte ich euch, Augen Ohren zu spitzen! In Paris widmet man sich den Klassikern und hat letztes Jahr das erste Restaurant, dass sich ausschließlich dem Dessert widmet eröffnet: La Dessance, ähnlich dem Epai Sucre in Barcelona, letzteres Schule und Restaurant, das zum Dessert auch Käse zählt und Menüs mit 3-5 Nachtischen anbietet! Auch in Paris: Die erste Tiramisu-Bar!

Sodele, das soll es von meiner Seite erstmal gewesen sein an dieser Stelle. Bestimmt habe ich manches vergessen und freue mich daher über eure Tipps und Entdeckungen! Viel Vergnügen beim Durchkosten und Nachbacken, wir sehen uns auf der siebten Mehlwolke oder im Krümelbad :)

1 Reply to “Trends 2016: Was krümelt als Nächstes?”

  1. Was ich mir im Leben wünsche? Ich möchte eines Tages genau so eine liebevolle Oma sein, wie meine Oma Liesel.

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